Ein ganz normaler Tag

während der Hausrenovierung

Es klingelt. Einmal. Zweimal. „Stell den verdammten Wecker ab“ grummle ich.
„Das ist nicht der Wecker! Das sind die Handwerker“ meint der General gähnend.

„Wieso klingeln die denn schon um 7 Uhr morgens?“ will ich wissen.
„Es ist halb acht“ antwortet mein General.
„Waaas? Wieso hat der Wecker nicht um 7 Uhr geklingelt?“
„Weil ich heute später ins Büro gehe“ sagt der General. „Heute Mittag kommt

doch der Fotograf!“
„Welcher Fotograf?“
„Der von der Wirtschaftszeitung!“
„Quatsch, der kommt im Januar!“
„Nein, heute. Die Zeitung erscheint im Januar!“
„Oh verdammter Mist! Und der Hund ist schmutzig! Ich muss ihn baden. Aber

wie soll ich ihn bis heute Mittag trocken kriegen?“

Es klingelt wieder.
„Machst Du den Handwerkern die Tür auf?“ fragt der General.
„Oh nein! Ganz bestimmt mach ICH die Tür NICHT auf. Ich habe keine Lust

morgens schon zu turnen!“

Treppe hoch, unter dem Bau-Gerüst durchklettern, über einige Stangen

drüberklettern, wieder unten durch, vorbeischlängeln zwischen Gerüst und Mauer,

noch mal bücken, gebückt bleiben, drei Schritte geradeaus, gebückt über die

nächste Stange klettern. Aufrichten!

Der General macht die Tür auf, ich stürme ins Bad. Schnell auf´s Klo, duschen,

Haare waschen, Zähne putzen, irgendwas anziehen.

Um 9 Uhr bahne ich mir den Kletterweg in die Küche. Oder versuche es wenigstens.

Weit komme ich nicht. Der Elektriker ist da! Auf der Treppe! Irgendwo mitten im

Gerüst. Da, wo er gar nicht sein sollte, weil er doch gestern mit der Arbeit fertig

geworden ist. Und er hält eine Maschine in der Hand. Damit bohrt er. Nein, kein

Loch. Er bohrt mehr als ein Loch. Er schneidet eine 4 m lange und 5 cm breite

Öffnung in die runde, nagelneue Treppenwand!

Er ist umgeben von einer dicken, weissen Staubwolke. Ich auch! Und die ganze

Treppe ist voller Dreck!

„Was zum Teufel machen Sie da?“ schnauze ich ihn an.
„Äh….tut mir leid“ stottert er. „Ich muss noch eine neue Leitung legen!“
„Das hätten Sie gestern erledigen sollen“ keife ich wie wild geworden. „Ich habe

gestern abend alles geputzt und jetzt machen Sie wieder Dreck! Es reicht mir!!!“
„Entschuldigung, es tut mir wirklich sehr leid. Aber die Schreiner haben einen

Nagel in die elektrische Leitung geklopft und nun funktionieren die Lampen an

der Treppe nicht! Ich muss eine neue Leitung ziehen!“

Ich bahne mir das letzte Treppenstück nach oben. Da steht einer der Maler.

Total verschreckt. Hinter ihm einer der Schreiner. Ebenso verschreckt.

„Morgähn“ knurre ich böse und verschwinde in die türlose Küche.

Kaffee! Ich brauche sofort einen Kaffee, sonst platzt mir der Kragen!

„Ich habe Ihre Küchentür dabei“ säuselt der Schreiner. „Die baue ich Ihnen

jetzt sofort ein, dann haben Sie wieder Ruhe in der Küche.“

Ich werfe ihm ein gequältes Lächeln zu. Gleich fange ich an zu heulen, so

wütend bin ich!

Gestern abend habe ich geputzt wie blöd und war soooo froh, dass ein Teil

vom Staub endlich weg ist und nun das! Die ganze Küche wieder voller Staub.

Inklusive meiner Espresso-Maschine.

Ich koche mir einen Kaffee und mein Blick fällt eher zufällig auf die Zettel,

die ich wegen Platzmangel zur Zeit überall an die Schränke geklebt habe. Da

ist eine Notiz: 10.30 Uhr Zahnarzt!

Himmel! Das ist mein Termin! Ich muss um 10.30 Uhr beim Zahnarzt sein.

Mist! Das heisst, in einer halben Stunde losfahren!

Ich klettere wieder nach unten mit der heissen Kaffeetasse in der Hand. Anders

anziehen (ordentlicher), Strümpfe suchen. Keine da. Gähnende Leere im

Strumpffach. Seit dem Tochter gecheckt hat, dass Wolford-Strümpfe schöner

sind als die von H & M, klaut sie mir ständig meine Strümpfe. Na gut, dann ziehe

ich eben die Schuhe so an. Haare fönen, schminken, Zähne noch mal putzen,

gurgeln. Handtasche schnappen, Autoschlüssel und ab durch den Garten zum Auto.

Mein Auto ist umzingelt von drei Fremdfahrzeugen. Ich komme nicht vom Parkplatz.
Ich rase zur Haustür. Zu. Schlüssel in der Handtasche gesucht. Passt nicht, der

Schlüssel. Ach ja, wir haben seit gestern eine neue Haustür und neue Schlüssel.

Irgendwo muss doch der neue Schlüssel sein. Endlich finde ich ihn. Aber ich bekomme

die verdammte Tür nicht auf! Nun laufe ich um das Haus rum zur Wohnzimmerterrasse.

Ich klopfe an die Scheiben. Die Handwerker sitzen auf dem Boden und machen Frühstückspause.

„Der rote Lieferwagen muss weg!“ schreie ich durch die Scheiben. Und hample rum

wie Rumpelstilzchen.

Der Fahrer vom roten Lieferwagen springt auf, fährt sein blödes Auto zur Seite auf

die Auffahrt. Ich quäle mich rückwärts an den anderen Fahrzeugen vorbei. Ich hasse

rückwärts fahren. Vor allem, wenn die Scheiben beschlagen sind und ich nix sehe.

Und dann noch die schräge Auffahrt rückwärts hoch, vorbei an der Mauer und dem

Lieferwagen.
       
Irgendwie habe ich dieses Manöver geschafft ohne Beulen in mein Auto zu bekommen.

Jetzt aber los, zum Zahnarzt. Mit 80 Sachen durch die Dörfer. Egal. Hauptsache,

ich bin pünktlich.

Mit hängender Zunge erreiche ich nach Luft schnappend die Zahnarztpraxis.

Es ist 10.31 Uhr.
„Bonjour“ keuche ich kurz vor dem Exitus.
„Bonjour Madame S.“ sagt die Assistentin erstaunt. „Sie sind aber spät!“
„Spät? Eine Minute bin ich zu spät, das ist ja wohl nicht schlimm, oder?“

Nein, ich bin nicht eine Minute zu spät sondern 1 Stunde und 1 Minute. Mein

Termin war um 9.30 Uhr! Irgendwann werde ich wohl mal lernen, dass die                                                            Luxemburger nicht das meinen, was ich meine, wenn sie sagen: Halver firun zeng                                 (halb vor 10!) oder so ähnlich.

Na gut, egal. Ich vereinbare einen neuen Termin. Will es zumindest. Da klingelt

Mein Handy.

„Mami, der Fotograf ist da, aber die Modells sind weg!“ sagt das Kind.
„Welche Modells???“
„Na der General und Monsieur Scotty!“
„Wieso ist der Fotograf schon da? Ich denke, der kommt erst gegen Mittag?“

Nein, der Fotograf hatte einen Termin um 10.30 Uhr.
Tochter macht sich auf die Suche nach den Modells. Ich sprinte zum Auto und rase

wieder mit 80 Sachen durch die Dörfer nach Hause.

Als ich eintreffe, stehen Fotograf, General und Hund im Garten. Sichtlich erleichtert,

dass ich da bin. Monsieur Scotty mag sich nicht abknipsen lassen. Ich soll ihn nun

überreden, statt seinem Spieltrieb nachzugeben, sich ordentlich neben den General

zu platzieren.

„Wie siehst Du denn aus?“ frage ich den General.
Ich bin erschüttert. Er hat blindlings ein hässliches, ausrangiertes grünes Sakko

von irgendwo her gegriffen und das Ding angezogen. Dazu ein blau-weiss gestreiftes

Hemd und eine graue Hose. Wie peinlich!

„Ist der Fotograf vom Magazin Jägerlatein oder wie? Zieh Dir bitte was anständiges

an. Schlimm genug, dass Monsieur Scotty voller Baustaub ist und aussieht wie

Schmuddel.“

Ich zwinge meinen Mann, einen blauen Kashmir-Blazer anzuziehen und dann überrede

ich den Hund freundlichst in die Kamera zu gucken. Schliesslich werden sie in der

Januar-Ausgabe in einem Finanz- und Wirtschaftsmagazin erscheinen.


Der Fotograft schiesst wie wild eine ganze Fotosession und ist begeistert.
Ich stehe hinter dem Fotografen und muss dauernd rufen: „Scotty, guck mal!“
Und Scotty guckt! Ganz brav! Perfekt! Nur, ich bekomme eiskalte Füsse! Schliesslich

habe ich keine Strümpfe an.

Irgendwann taucht der Kater Popel auf. Den will der Fotograf nun auch ablichten.

Aber Poppel schaut nur böse. Äusserst böse sogar. Und Scotty beschliesst nun,

es wäre genug geknipst worden. Jetzt will er spielen. Und zwar sein Lieblingsspiel:

Katzen jagen!

Das war´s dann. Ende vom Shooting!

Ein ganz normaler Tag….. Er ist noch nicht vorbei. Es ist gerade mal 14 Uhr…….

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