Lavendel, Oleander, Jasmin..........???

Ein perfekter Tag in Nizza sieht so aus:
Der Himmel ist strahlend blau. Kein Wölkchen hindert die Strahlen der freundlich
lachenden Sonne im rechten Winkel auf mein vornehm blasses Feinkostgewölbe zu treffen.
Dieses Gewölbe befindet sich in bequemer Rückenlage direkt am türkisfarbenem Pool.
Ringsum eine himmlische Ruhe, da die Gärtner endlich verschwunden sind und die
Bauarbeiter auf dem Nachbargrundstück ihre Mittags-Siesta halten.

Ach, das Leben ist doch schööön!

Ich geniesse die Stille und atme tief durch die Nase ein. Es riecht nach Lavendel!
Mmmmh.....
Und nach Rosmarin! Mmmmh.......
Und nach......???
......???
Nach......???
Ich versuche, den Duft zu identifizieren: Kräftig! Intensiv! Sehr.....wie soll ich sagen?
Ich komme nicht drauf: Jedenfalls riecht es nicht wie Lavendel. Oder irgendeine andere
provencalische Pflanze, die ich kenne.

Während ich also in der Sonne brate, die lästigen Fliegen verscheuche, die meine
Erhebungen als Landeplatz missbrauchen, überlege ich krampfhaft, welche der exotischen
Pflanzen diesen Gehirn einnebelnden Geruch verströmen. Es lässt mir keine Ruhe.
Inzwischen nerven die Fliegen ganz fürchterlich und ich erhebe mich von meiner
Ruhestätte um ihnen zu entfliehen. Bis zu der Stelle, wo der Gärtner morgens die neuen
Blümchen gepflanzt hat sind es nur vier Meter.

Ich schaue sie mir an. Sie sind sehr klein und sehr niedlich. Ganz pinkige zarte Blüten
schauen aus dicken grünen Blättern hervor. Ganz normale Bodendecker. Ich staune. Dass
so etwas Zartes sooooo intensiv riechen kann! Sagenhaft! Ich bin echt fasziniert!
Andererseits bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob ich diesen Duft nun mag oder nicht.
Er hat zweifellos etwas Vertrautes und erinnert mich ein bisschen an meine Kindheit.

Ich gehe wieder zu meiner Liege zurück. Schliesse die Augen. Verjage die Fliegen. Und
überlege..... Woher kenne ich bloss diesen Geruch?

Die Attacken der Fliegen werden immer gemeiner.

„Jetzt reicht es mir“ kreische ich los „diese blöden Fliegen ! Und ausserdem ......stinkt es hier!!!“ Mein spontaner Gefühlsausbruch reisst den splitterfaser nackigen General aus dem Tiefschlaf.

Das stört mich gar nicht. Wahrscheinlich ist er sogar Schuld an der Fliegeninvasion, weil er nix an hat. Ich meine, er liegt da in aller Seelenruhe schwitzend in der Sonne. Und Schweiss zieht nun mal die Fliegen an. Ist doch so. Oder?

“Warum meckerst Du schon wieder rum?“ fragt der General gelangweilt.
“Weil es hier stinkt! Ganz eklig stinkt! Und weil es nur so wimmelt von Fliegen!“ keife
ich erbost. „Der Gärtner hat so komische Blumen gepflanzt. Ich rufe ihn jetzt an, damit er die SOFORT wieder raus reisst!“ schimpfe ich.

Der General lacht mich an.
Oder?
Nein! Er lacht  mich aus!

“Das sind nicht die Blumen, die so stinken. Das ist der Dünger“ sagt er.

Dünger? Verstehe! Nein, eigentlich verstehe ich nicht. Irgendwie fühle ich mich ein
bisschen blond. Das liegt wohl an der Hitze. Die Sonne knallt erbarmungslos auf meinen
Schädel. Ich muss nachdenken. Schliesse die Augen und atme tief
ein......Dünger......und wieder aus........Dünger.....ein.....Dünger......aus......

Das einzige, was mir zu  Dünger einfällt ist ein grünes Fläschchen für meine
Hydrokultur. Aber das stinkt nicht. Das riecht sogar nach gar nix! Also kann Dünger gar
nicht stinken! Ich will den General aber auch nicht fragen, was genau er nun gemeint hat 
mit dem Dünger. Denn irgendwie spüre ich, dass er dann den endgültigen Beweis dafür
hat, dass ich manchmal ein bisschen blond bin. Oh nein, diese Genugtuung gönne ich ihm
nicht. Also, ich atme einfach weiter. Ganz tief ein........und wieder aus.......und
wieder ein......

Konzentriere mich ganz auf diesen Gestank.

Es riecht nach.....Kindheit.....

nach Bauernhof......

nach Misthaufen mit Fliegen drauf.......

nach.....oh......Schei......

nach Dünger......

 

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