Manche Tage streicht man besser aus dem Kalender. 

Am besten schon vorher, denn hinterher nützt es nix.

Diese Tage beginnen meist mitten in der Nacht.  Eine Dir unbekannte Stimme redet in ziemlicher Lautstärke monoton auf Dich ein. Du schnaubst ein empörtes "Halt die Klappe und verschwinde! Ich will schlafen!!!"  Nun, das interessiert den Nachrichtensprecher  aus dem Radiowecker überhaupt nicht.  Er fährt fort, Dir hämisch zu erzählen, dass draussen ganz fieses Wetter ist, ein paar Bäume durch den noch immer tosenden Sturm  entwurzelt wurden und einer davon sich auf irgendeinem einem Hausdach befindet.  Abschliessend sagt er betont freundlich, es sei jetzt genau sechs Uhr fünf.

 

Ja, genauso beginnt es…Diesen Tag hat der unverschämte Kerl Dir gründlich versaut mit seiner miesepetrigen Art. Du quälst Dich aus dem Bett und ärgerst Dich über all die Ungerechtigkeiten dieser Welt.  Deine Ehehälfte kann zum Beispiel munter weiter schnarchen. Wärst Du als Mann auf die Welt gekommen, dann würdest Du jetzt an seiner Stelle im Reich der Träume wandeln, und er müsste Kaffe kochen und das Kind wecken!

 

Das Kind wecken…ein schwieriges Unterfangen. " Süsse…. wach auf mein Mausilein. . . . Es ist schon nach 6!!!"

"Lass mich in Ruhe" grummelt das Kind "ich hab Ferien!"

"Nein" führst Du die Diskussion fort "Ferien hattest Du gestern. Heute ist Schule! Komm schon, steh auf!"

"Ich will aber nicht" nörgelt das Kind wie eine Dreijährige und zieht sich die Decke über den Kopf.

"Du musst aber!" sagst Du mit milder Stimme.

 

Noch ist Deine Stimme mild. Aber spätestens, wenn Du dem Kind auf seine Frage: "Wie iss'n das Wetter?" die traurige Wahrheit über Regen, Stürme und entwurzelte Bäume mitteilen musst und eben dieses Kind Dich höchstpersönlich für das Mistwetter verantwortlich macht, ist auch Deine bis dato erzwungene gute Laune auf dem absoluten Tiefpunkt.

 

Natürlich trödelt das Kind rum und wird deshalb den Schulbuss verpassen. Ausserdem weigert es sich, seinen Kakao zu trinken und das liebevoll geschmierte Marmeladenbrot zu essen.

 

"Mami, ich bin 18!!! ICH entscheide, ob ich frühstücke oder nicht!!!"

Dein "Ja, aber Kind, Du musst doch was im Magen haben, sonst kannst Du Dich nicht konzentrieren…" unterdrückst Du.  Fährst  Deine volljährige Tochter zur Schule, weil sie in der ersten Stunde eine Prüfung hat und nicht zu spät kommen darf.

 

45 Minuten Fahrt für knappe 20 Kilometer. Wie immer stopp and go auf der Autobahn.   Das gleiche zurück.  Du  bist jetzt echt gefrustet. Aber es kommt noch schlimmer, wie Du aus Erfahrung weißt.

 

Vorm Mini-Supermarkt in Deinem Dorf gibt es üblicherweise keinen freien Parkplatz.  Du kurvst dreimal hin und her, dann resignierst Du und fährst 15 km weiter bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit. Noch immer giesst es aus allen Wolken und Du spielst kurzfristig mit dem Gedanken, Dein Auto auf einem der beiden freien Behindertenplätze direkt vor der Tür zu  parken.  Aber nein,  Du bist ja ein ehrenwerter Bürger  und anständiger Mensch und schämst Dich sofort für diese schlechte Idee.  Dein Auto steht nun in der letzten Reihe und Du bahnst Dir einen Weg durch den peitschenden Regen. Einen Schirm hast Du natürlich nicht dabei. Und dummerweise auch keine Jacke. Dafür nagelneue (Sommer)Schuhe mit schöner, glatter Ledersohle auf denen es sich gut über die nasse Strasse rutschen lässt.

"Scheisstag!" schimpfst Du laut während Dir der Regen über Deine frisch geföhnte Frisur ins Gesicht  rinnt.

 

Und dann packt Dich die Wut wie eine riesige Welle…

Da hat es doch tatsächlich eine Hirnamputierte gewagt, auf dem Behindertenplatz zu parken.  Ohne blauen Behindertenausweis hinter der Autoscheibe.  Eine Frau in Deinem Alter mit perfekt gestylten Haaren und trockener Kleidung steigt aus ihrem Mercedes und huscht graziös in den Supermarkt.  Dein empörter Aufschrei "Heeee, Sie!!! Können Sie nicht lesen???"  wird ignoriert und Dein Frust sitzt tief. Sehr tief. 

 

Aber es kommt noch schlimmer, das weißt Du. Denn heute ist nicht Dein Tag…….!!!

Etwas verloren stehst Du im Supermarkt. MIST! Einkaufszettel vergessen! Die Regale, die Dich sonst immer inspirieren, sind gähnend leer. Kein Wunder, denn es ist Montag morgen und frische Lebensmittel werden erst im Laufe des nachmittags geliefert.

 

In der Fischabteilung liegen seit Freitag ein paar tote Tiere auf Eis und glotzen Dich mit starren Augen blöd an. Der Matjes-Eimer neben dem Thunfisch ist bis oben hin mit leckerer Sahne gefüllt und ausserdem haben Matjes keine Augen... Der erste Lichtblick dieses Tages! Wenn endlich  mal eine Verkäuferin käme...!

Du kannst schlecht Deinen besten Platz  an der Fischtheke verlassen, obwohl Du am liebsten die Tussi aus dem Mercedes suchen würdest, um ihr mit voller Kraft Deinen Einkaufswagen  in ihr Hinterteil zu rammen. Wenn Du jetzt Deinen Rachegelüsten nachgibst, dann stehen in der Zwischenzeit mit Sicherheit 10 Hausfrauen in Reih und Glied und verlangen Matjes von der Verkäuferin, die ganz genau in dem Moment auftaucht, wo Du gehst. Nach endloser Warterei ordere ich dann ein Dutzend Matjes. Und das letzte Stück Lachs-Quiche (eine Art  Lachskuchen) für das Kind.

 

Klitschnass und halberfroren zu Hause angekommen, muss ich feststellen, dass die selten dämliche und schlecht gelaunte Fischverkäuferin den Deckel von der Matjes-Plastikdose nicht richtig verschlossen hat. Die Lachs-Quiche, mit einem Stück Papier halb umwickelt, schwimmt in der zugeknoteten Plastiktüte inmitten von ausgelaufener Sahne, Matjes und Zwiebeln....

 

Na toll! Wie sag ich's meinem hungrigen Kind???

"Schau mal Mausi, heute ist einfach nicht mein Tag!!!"

Abends kommt ein ebenso Wetter geschädigter General nach Hause.

"Ich hab Hunger. Was gibt's zu Essen?" fragt er anklagend

"Guten Abend!" antworte ich mit betont sanfter Stimme.

"HÄH...? Ach so, guten Abend, Schatz" sagt er freundlich.

"Es gibt Matjes."

"Und???"

"Wie und?"

"Was gibt es dazu?"

"Kartoffeln natürlich".

"Wo sind die denn?"

"Im Keller, wo sonst?"

"Vielleicht im Topf!!!???"

"Witzbold! Die muss ich erst kochen."

Ein mürrisches "Wieso hast Du die Kartoffeln noch nicht gekocht?"

"Himmel, Arsch und Zwirn...warum rufst Du nicht an und sagst Bescheid, wann Du nach Hause kommst?"

"Ich habe angerufen!"

"Hast Du nicht!"

"Hab ich doch!!!"

"Hast Du nicht!"

"Doch Mamilein, hat er..." mischt sich das Kind ein. "Ich hab nur vergessen, es Dir zu sagen....Heut ist wohl nicht mein Tag!"

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