Das Dännschen

 

Dem geübten Generalsauge entgeht nix auf seiner Sparsamkeitstour und

deshalb war es auch kaum verwunderlich, dass er in der Zeitung die

winzige Anzeige las:

 „Nordmannstannen ab 1.12. von 9 bis 20 Uhr  zu verkaufen.

 2 – 3 Meter. Preis incl. Lieferung: 20 Euro.“

 Dazu gab es noch die Telefon-Nr. und die Adresse. Praktischerweise gab

es diese Nordmannstannen im Nachbardorf. Und ausnahmsweise kannte ich

sogar die Strasse, denn dort wohnt eine Freundin von mir.

 

„Da fährst Du hin und kaufst eine Tanne!“ befahl mein General.

 

„Aber ich wollte doch diesmal eine in der Baumschule kaufen“ meinte ich.

 

„Nein, die sind zu teuer. Ich gebe doch keine 100 Euro aus für so einen blöden

Baum wenn ich den auch für 20 Euro haben kann. Du fährst da hin oder es gibt

 in diesem Jahr keinen Weihnachtsbaum!“

 

Na gut, ich bin ja gefügig und anpassungsfähig und sparsam….

 

Die Annonce habe ich mir ans schwarze Brett geheftet und im Kalender dick

markiert, dass ich am 1. Dezember die Tanne aussuchen werde.

 

Der 1. Dezember kam. Gegen 15 Uhr bin ich ins Nachbardorf gefahren, habe

einen Parkplatz gesucht und irgendwann auch am Ende der Strasse einen gefunden.

Nach einem längeren Fussmarsch  stand ich vor dem Haus mit der Nummer 46.

Hier sollte es sein. Im ungepflegten Garten lagen 10 kleine Tannenbäumchen rum,

die ungefähr 1 Meter fuffzich lang waren.

 

Kein Mensch weit und breit zu sehen, deshalb beschloss ich, an der Haustür

zu klingeln. Nichts tat sich. Ich klingelte noch mal. Wieder nichts. Also liess

ich nun meinen Finger eine gute Minute aus dem Klingelknopf. Schliesslich

musste ja jemand da sein, denn es war der 1. Dezember, inzwischen 15.30 Uhr. 

Ich klingelte ein viertes Mal und da ich inzwischen Wut im Bauch hatte, denn

ich warte bekannterweise ja nicht gerne, liess ich den Finger gar nicht mehr vom

Klingelknopf. Nach ein paar Minuten tat mir dann der Zeigefinger weh und ich

hatte keine Lust  mehr auf das Dännschen!

 

Ich fuhr ziemlich ärgerlich nach Hause und vergass dann aber die Angelegenheit.

Zwei Tage später fiel es mir jedoch wieder ein, denn ich hatte schlechte Laune

und Lust drauf, mich mit irgendjemandem zu streiten. Deshalb griff ich zum

Telefonhörer und rief die Nummer von der Annonce an.

 

Eine unfreundliche Frau meldete sich. Gerade als ich meine Wut rauslassen wollte,

meinte sie, das Datum in der Annonce wäre falsch und ich sollte am Freitag Punkt

17 Uhr kommen, dann würde  eine Lieferung von 200 Nordmannstannen ankommen.

Zack, aufgehängt!

 

Freitag um 16.59 Uhr stand ich wieder vor der Tür. Genau eine Minute bevor

scharenweise Kunden eintrudelten. Keine 5 Minuten später kam ein Lieferwagen

mit den Nordmannstannen.

 

Die Tannen wurden abgeladen und die Menschenmassen stürzten sich drauf,

um die Bäume zu begutachten. Ziemlich schnell habe ich im Dunkeln erkannt,

dass fast alle Tannen von oben bis unten mit einer dicken Schlammschicht

bedeckt waren. Also habe ich mir die Cheffin geschnappt und ihr gesagt, dass

ich BITTESCHÖN gerne eine saubere Tanne haben möchte, da ich keine Lust

hätte, die vorher noch in die Badewanne zu stecken.

 

Gemeinsam machten wir uns auf die Suche nach einem sauberen Baum,

3 Meter lang und perfekt gewachsen, so wie ich es wollte.

 

Wir wurden auch fündig. Der schönste Baum von allen war makellos und ohne

Auch nur ein einziges Dreckskörnchen auf den Nadeln.

 

„Mein Dännschen!!!“ dachte ich voller stolz.  Ich bezahlte die 20 Euro und sah zu,

wie die Cheffin meine Visitenkarte ans Bäumchen heftete. Reserviert! Und ab

damit in die Ecke zum Transport. Der sollte eine Woche später statt finden.

 

Eine Woche später, abends gegen 22 Uhr klingelte es. Endlich! Mein Dännschen war da!

Der Fahrer des Lieferwagens zog die Tanne vom Anhänger und legte sie vor die

Kellertür. Ich habe ihm voller Freude 5 Euro Trinkgeld in die Hand gedrückt.

 

Ein paar Tage später als ich zufällig abends an der Kellertür war, erinnerte ich mich

an die Tanne und beschloss, da Weihnachten quasi vor der Tür stand, den Baum ins

Wohnzimmer zu schleppen um ihn trotz der späten Uhrzeit gleich weihnachtlich zu

schmücken. Dreimal bin ich in den Keller gelaufen um den Ständer und die Dekoration

hoch zu holen. Dann konnte es endlich losgehen. Unter Ächzen und Stöhnen habe ich

es irgendwie geschafft, den Ständer unten am Stamm zu befestigen und konnte nun

den Baum aufstellen.

 

Aber was war das??? Das Grau-Braune an den Nadeln? Doch nicht etwa Schlamm???

Oh ja, Schlamm vom Übelsten!  Die ganze hintere Seite der Tanne war mit einer

dicken Schicht belegt. Und es kam noch schlimmer: Diese  Tanne war keinesfalls

mein Dännschen! Sie war krumm und  im oberen Bereich ziemlich kahl.

Und obendrein hässlich!

 

Ich gab dem falschen Dännschen einen ordentlichen Tritt!

 

Da lag sie nun!

 

Mitleidslos zog ich sie in den Garten und liess sie auf dem  Rasen zurück.

 

Am nächsten Tag beschloss ich, das Beste aus der  Situation zu machen.

Zuerst musste die Tanne gesäubert werden. Da der Gärtner die Wasserleitungen

im Garten schon längst abgedreht hatte, konnte ich keinen Schlauch nehmen,

was praktisch gewesen wäre. So quälte ich mich mit einer Giesskanne ab.

Warmes Wasser aus der Küche geholt und quer durchs Haus in den Garten

gelaufen, Tannenzweige begossen. Ungefähr 30 Mal. Dann verging mir die Lust,

denn diese mühselige Aktion war nicht von Erfolg gekrönt.

 

Heute habe ich mir dann überlegt, dass ich die Tanne mit der Schlammseite an

die Wand stellen könnte, so dass man den Dreck gar nicht sieht. Gerade wollte

ich in den Garten gehen und sie wieder reinholen, da erwischte ich Monsieur Scotty,

wie er unschuldig guckend fröhlich gegen mein Dännschen pinkelte!!!

 

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