Die Reise nach
Venedig
VICENCE, PADUA, VENEDIG (2001)
Die
erste Überraschung ist eigentlich eine Enttäuschung für unsere Reisegruppe.
Statt
wie geplant vier Tage in der Lagunenstadt zu verbringen, heisst es am
Flughafen.
Wir
übernachten in Abano Terme und starten von dort aus unsere Exkursionen.
Das Hotel in Abano Terme, ein viel gepriesenes 5 Sterne Hotel mit
Thermalbädern,
Beauty-Farm
und Gourmet-Küche erweist sich als "Altersheim". Rentner über Rentner
wohin
das Auge schweift. Das Essen in dem altwürdigen Speisesaal eine einzige
Katastrophe.
Lieblos vom Koch zubereitet, und genauso lieblos von dem unfreundlichen
Personal
auf die Tische geknallt.
Als wir am ersten Abend unsere Plätze einnehmen, bestelle ich mir zuallererst
einen
Campari Orange.
"Das nix gehen" sagt der Kellner. "Wieso nicht?" will ich
wissen. "Nix gehen" beharrt
der
Kellner, "das hier sein Restaurant!!!"
"Eben" erwidere ich, "aus genau diesem Grund möchte ich einen
Apéritif trinken!!!"
Der
Kellner verschwindet mit leicht pikiertem Gesichtsausdruck aus meinem Blickfeld
um
seinem Kollegen Platz zu machen. Der wedelt mit der Speisekarte vor meinen
Augen
rum. Ich
hab die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Hauptgerichten, die da sind:
1. Makkaroni mit Sauce Bolognaise
2. Turbot (Steinbutt) gegrillt
3. Rührei mit Schnittlauch
4. kaltes Fleisch
5. Entrecôte
Ich entscheide mich für die Nudeln. Nachdem ich mit der Vorspeise fertig bin,
kommt
der
Kellner um mir mitzuteilen, dass es keine Nudeln mehr gäbe. Ecco, also dann den
Fisch.
Zehn
Minuten später erscheint der Kellner freudestrahlend mit meinem Campari und
meint,
der
Fisch sei alle.
Ich bitte ihn um einen Aschenbecher, damit ich endlich eine Zigarette rauchen
kann.
"Was
Sie wollen?"
"Einen
Aschenbecher!"
"Was?
Nix verstehn"
"Einen Ashtrey, einen Cendrier, einen
Cinceiro....."
"Hier nix rauchen!!!!"
Am nächsten Morgen um 7.30 Uhr Frühstück. Ich bestelle beim Kellner Kaffee.
Nach
einer halben Stunde stellt er mir eine Kanne hin. In freudiger Erwartung giesse
ich ein.
Doch was ist es? Wasser!!!
"Oh
scusi Signora!"
Abfahrt um 8.30 Uhr nach Vicence. Stau auf den Strassen. Der Bus bewegt sich
millimeterweise.
Dann endlich sind wir da. Raus aus dem Bus, hopp hopp in die
nächste
Kirche, den nächsten Dom, die nächste Basilika. Immer schön die Nase nach
oben
damit uns auch keine Freske entgeht.
Mittags wollen wir in ein Restaurant wo man den schönsten Ausblick auf die
Stadt hat.
Noch im
Bus telefoniert der Fahrer mit dem Restaurant, um unsere baldige Ankunft
anzukündigen.
Die schönste Aussicht bekommen wir, wie sich jetzt rausstellt nur wenn wir
das Menü
für 40 DM buchen. 1. Vorspeise, 2. Vorspeise, Hauptgericht, Dessert.
Das ist unserem Reiseleiter zu teuer, das war so nicht abgemacht mit dem
Restaurant und
er
schaltet auf stur. Also bucht der Busfahrer in dem Nachbarrestaurant einen
Tisch für
unsere
Gruppe. Dort stehen wir dann in einem riesigen Saal einer Werkskantine
nicht
unähnlich
und warten ungeduldig in einer kilometerlangen Schlange genau 65 Minuten,
bis wir
Essen fassen dürfen. Es gibt grauen Risotto, matschige Lasagne, zerkochte
Tagliatelle,
Gummiadler mit Fritten.... Der Appetit vergeht uns, aber tapfer schlucken
wir den
Frass runter.
Danach rein in den Bus, einige Kilometer fahren, wieder raus und zu Fuss den
Berg rauf
um ein
Palazzo zu besichtigen. Nase hoch und Fresken unter der Decke bewundern.
Kurz vor
der Genickstarre gelingt es mir, unbemerkt von dem Museumsführer die
heiligen
Hallen zu verlassen und mich in die ersehnte Freiheit zu schleichen. In
dem
wunderschönen
Garten rauche ich nach langer Abstinenz eine Zigarette und rieche jede
einzelne
der noch blühenden Rosen.
Nach dieser anstrengenden Besichtigungstour kehren wir gegen 18 Uhr ins Hotel zurück
und
geniessen das 38 Grad warme Thermalbad draussen. Der Himmel ist voller
Sterne,
der Mond
beinahe kugelrund und leuchtend, und ich lasse mich im Wasser treiben.
Welch
eine Wohltat für Körper und Seele.
Es folgt die übliche Prozedur im Restaurant. Danach gehts in die Bar Bellini
(Prosecco mit Pfirsichsaft)
trinken.
Ich trinke gleich zwei auf Ex und es geht mir wunderbar. Danach schlafe ich wie ein Murmeltier
bis zum
nächsten Morgen. Der Portier weckt mich per Telefon Punkt sieben mit den Worten
"Guten Morgen Senhor ...."
Auf nach Venedig. Neblig und kühl ist es. Und neblig und kühl bleibt es. Und
natürlich bin ich nicht wetterfest
angezogen,
weil mein Mann all meine Wintersachen aus dem Koffer entfernt hat da es in
Venedig Anfang
November
ja warm ist!!! Ich friere in meinem dünnen Pullover und unsere Gruppe versucht
verzweifelt,
mich zu
überreden, mir am Hafen an einem Souvenirstand ein Wollcape zu kaufen. Nach
endlosen
Diskussionen
siegt die Vernunft gegen die Eitelkeit und ich erstehe für 35 DM einen
hässlichen Umhang
aus
Polyester-Baumwollgemisch. Worte wie "wenn Du das trägst, denkt jeder, das
ist Kaschmir" können
mich
nicht trösten. Auch sind meine Füsse eiskalt, da ich barfuss in den Schuhen
stecke. Mit Schrecken
denke
ich an wildgemusterte Strümpfe vom Stand und schweige tapfer.....
Mit einem Miniboot geht es rüber nach Venedig. Es ist nebenbei bemerkt
arschkalt und ich friere noch immer
erbärmlich.
Auch in dem ersten Palazzo, dem noch viele an diesem Tag folgen, ist es kalt.
In gewohnter
Manier
latschen wir von einem Saal in den anderen, starren auf die Decke und
betrachten die Fresken.
Zwischendurch
gibt es zur Erholung des Genicks normale
Gemälde an der Wand.
Mittags landen wir in einer Pizzeria. Es riecht absolut gut und ich bestelle
mir eine Pizza. Die 20 anderen aus
unserer
Gruppe haben die gleiche Idee... Nachdem die ersten Pizzen serviert sind kommt
der Kellner, um
mir und
meinem Mann mitzuteilen, dass der Pizzateig leider alle ist! Na toll! Mit
reichts und meinem Mann
schon
lange....!!!
Die Zeit drängt, für Espresso ist es zu spät, wir müssen in die Markuskirche
und danach in den Dogenpalast.
Ich habe genug von der geführten Führung und dem streng blickenden Führer, den
Argusaugen der Saalvorsteher,
die mich
immer angucken, als würde ich eine Deckenfreske klauen wollen, nur weil ich
mich unauffällig nach
dem
Notausgang umsehe. Auch meinem Mann ist die Lust auf sight-seeing vergangen und
wir entfernen uns
von der
gestressten Gruppe mit einem aufmunternden Lächeln.
Auf dem Markusplatz ergattern wir einen Tisch in einem der noblen Cafés und
lassen es uns bei Cappuccino
und
Tiramisu so richtig gut gehen. Im Hintergrund dudelt die Band des Hauses
diverse Walzer und andere
Hits aus
vergangener Zeit. Wir beobachten die Leute, die Tauben, das ganze Geschehen auf
dem Platz.
Wir
erzählen, lachen und geniessen ganz einfach diese zauberhafte Atmosphäre.
Am Nachmittag gehts zurück ins Hotel, denn es wird früh dunkel. Wir nutzen die
Gelegenheit, im Thermalbad
zu
schwimmen bevor wir uns wieder in den Speisesaal begeben. Das Essen....nee,
dazu sage ich gar nix mehr!!!
Danach begibt sich ein kleiner Teil der Gruppe in die Bar. Ich bestelle mir
einen Bellini, aber Bellini gibt es nicht
mehr,
weil die Pfirsiche ausgegangen sind.
Dienstag früh, noch vor dem Aufstehen, fahren wir bei dickem Nebel um 8.30 nach
PADUA. Tolle Stadt und
vor
allen Dingen ein Geschäft neben dem anderen. Ich blicke sehnsuchtsvoll zu dem
J.P. Tods-Geschäft an der
Ecke auf
dem Marktplatz. Da muss ich rein und zwar sofort, denn ich bräuchte dringend
Schuhe und eine Tasche.
Leider ist es nicht möglich, mich unbemerkt davonzuschleichen, denn unser
Reiseleiter kann meine Gedanken
lesen.
Ein sehr strenger Blick durch seine Brille (er war Deutschprofessor, bevor er
in Rente ging!!!) und Sunny
steht
stramm wie ein Soldat.
Wir besichtigen die alte, ehrwürdige Universität von Padua und haben das Glück,
dass wir unter anderem auch
in den
Seziersaal (Teatro Anatomico) dürfen. Das ist mir lieber als Fresken. Schaurig
schön, die Stelle, wo
1594 die
ersten Leichen zerschnippelt wurden.
Endlich ist Mittagspause. Wir dürfen ausnahmsweise alle allein Essen gehen und
freuen uns darüber, wie die Kinder.
In genau
einer halben Stunde schliessen die Geschäfte, also zerre ich meinen Mann hinter mir her, Richtung
Tod`s-Geschäft.
Keine 5 Minuten später habe ich meine heiss ersehnte Handtasche. Auf Schuhe
verzichte ich in Anbetracht der
noch
nicht geklärten Frage, wer das alles tragen soll. Vorerst fällt meine Wahl auf meinen General als Tütenträger
da ich
meine Bandscheibe nicht belasten will
(die Hotelbetten sind bandscheibenunfreundlich!)
Wir finden nach kurzer Suche ein gemütliches Restaurant, das wie im Intercity,
zwei Klassen hat. Die Touristen-
und die
First Class für die Italiener. Oh Wunder, man geleitet uns, nach einem kurzen
Blick auf meine edle Tüte in die Abteilung Italiener. Hier schlagen wir uns den
Bauch voll mit leckerem Parma-Schinken, verschiedenen Nudelgerichten
und
einer Flasche Rotwein.
Nach dem Essen treffen wir uns mit der Gruppe und besichtigen die Abtei und
Basilika San Antonio. Der Heilige
Antonio
ist so heilig, dass man seine Zunge und die Stimmbänder und noch irgendein
Teil, ich glaube, es waren die
Zähne,
in einem riesigen Glasgestell aufbewahrt hat. Hunderte von Menschen stehen da
brav in Reih und Glied um in
höchstem Entzücken seine Überreste zu bewundern.
Gegen 17 Uhr Rückfahrt zum Hotel, und sofort in die Fussgängerzone von Abano
Terme. Das es so was überhaupt
gibt,
ist mir bis dahin entgangen. Keine 5 Minuten vom Hotel lauter tolle
Geschäfte....Ich decke mich mit Dessous ein
und mein
Mann kauft einen Koffer, damit ich meine Errungenschaften auch mit nach Hause
nehmen kann.
Abends das übliche Kantinenfutter und der übliche Drink in der Bar.
Einer
aus unserer Gruppe, der Vater einer berühmten Pianistin, spielt auf dem
Klavier. Anfangs sind die vielen
teutonischen
Kur-Rentner noch begeistert, aber als wir anfangen, luxemburgische Lieder zu
singen, suchen sie
fluchtartig
das Weite. Wir sind bester Stimmung, denn es geht bald nach Hause....
Jedoch nicht, bevor wir den Abreisetag bis zum Abflug am Nachmittag erneut in
Venedig verbringen müssen.
Morgens
8.30 sitzt die Mannschaft im Bus, das Gepäck ist verstaut. Ein neuer Wandertag
über Tausende
von
Brücken....
Mein Mann ist jedoch in bester Einkaufslaune und so beschliessen wir, als
Kulturbanausen in die Geschichte
einzugehen.
Unser erster Weg führt uns in eine Galerie. Von dort geht es in die nächste und
so weiter, bis wir
auf eine
wunderschöne, riesige, Glasskulptur eines schwedischen Künstlers stossen. Da
war es um uns
geschehen.Wir
kaufen die Skulptur, die uns nach Hause geschickt wird, bummeln auf dem Weg zu
HARRYS
BAR ganz gemütlich durch die Strassen, ohne Hektik und Stress. In Harrys Bar
gibt es den original
Bellini.
Den genehmige ich mir als Apéritif. Dann esse ich die wohl besten Nudeln
Italiens und davon auch die
allergrösste
Portion. Dessert passt nicht mehr rein, aber für Cappuccino ist noch Platz.
Nirgendwo schmeckt
der
Cappuccino sooooo gut!!!
Satt und mit der Welt zufrieden begeben wir uns Richtung Markusplatz, wo ich
Tauben füttern will. Ich kaufe
drei
Tüten Mais, schaffe es kaum, den ersten Plastikbeutel zu öffnen, als mich
sofort Hunderte von Tauben
umringen.
Sie benutzen meinen Kopf als Landeplatz und scheinen mich mit einer
öffentlichen Bedürfnisanstalt
zu
verwechseln.....
Nach der Raubtierfütterung brauche ich dringend einen Cappuccino, denn es ist
schon eine Viertelstunde her,
seit
meinem letzten. Also setzen wir uns in das Café vom Vortag und geniessen dort
bei musikalischer Berieselung
die
letzte Stunde in Venedig
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