SUNNY und der
neue Masseur
Ich komme
zwar vollkommen abgehetzt in die Massagepraxis, dafür superpünktlich.
Es ist
noch niemand da, deshalb blättere ich in uralten Zeitungen und bewundere
die
Sommerkollektion des vergangenen Jahrhunderts.
Die Tür
geht auf und ein Jüngelchen von 18 - 19 Jahren stürmt rein, rauscht an mir
vorbei.
In der einen Hand hält er einen roten Kippling-Rucksack, in der anderen eine
gelbe
Banane. Er wirft hektisch einen Blick auf den Terminkalender (ich ahne
nichts
Gutes,
meine Masseurin ist hochschwanger) und kommt auf mich zugeschossen.
Schnauzt
mich an: "Votre nome???"
Aber
hallo, denke ich, sind wir hier beim Militär, oder was? Während ich betont
lässig
die
Zeitschrift zur Seite lege, krame ich in meinen Hirnzellen nach der erfolgreich
erprobten
Rolle der Gräfin von Luxemburg. Ganz ladylike erhebe ich mich, mustere ihn
streng von oben nach unten und antworte im allseits gefürchteten Ton:
"Moi, je suis Madame S. und (auf deutsch weiter für die Nicht-Franzosen)
wer sind Sie???"
Stottert
er: "Jean-Paul, Ihr neuer Masseur". Kriegt ganz rote Ohren und hält
sich
krampfhaft
an seiner Banane fest. Er erklärt mir was ich längst weiss, dass Madame
Linden schwanger
ist, und dass sie sich nicht wohl fühlt, was ich mir schon gedacht
habe. Dann
fragt er mich ganz nett und freundlich nach meinen Problemen, will alles
bis in
kleinste Detail wissen. Von mir aus, kann er haben. Zurück in Sonnenschein
verwandelt, ich strahle ihn an und erzähle ihm brühwarm von meiner Bandscheibe,
der
Operation, dem tollen Arzt und den freundlichen Schwestern. Zeige ihm zur
Belohnung
noch meinen Bandscheibenvorfall im Glasfläschchen. Ist in Spiritus
eingelegt
und in meiner Handtasche beheimatet seitdem Mon General ihn vor kurzem
im
Kühlschrank entdeckt hat.
Halbe
Stunde ist um, wir haben noch nicht mal angefangen, da kommt auch schon die
nächste Patientin. Hat sie Pech. Schuhe aus, Hosen runter, strecken, dehnen,
drehen, ziehen, hinterher Rückenmassage. Mmmmhhh, gut, hat schöne warme Hände,
der Kerl.
Und
wunderbare blaue Augen, und niedliche Sommersprossen und ...habe ich schon
erwähnt, dass wir uns morgen um 10.30 Uhr wiedersehen?
Heute
pünktlich 10.30 Uhr Massage. Bein gedreht, gestreckt, gezerrt. Dann Seitenlage
in
Fötusposition, Knie angezogen. Danach Beine gestreckt.
“Fett ün
krööss aweg lö doh” sagt der Knabe .
“Faites une creuse avec le dos?” "Machen Sie eine Kreuzfahrt
mit Ihrem Rücken" übersetze ich für mich. Ausgezeichnete Idee. Eine
Kreuzfahrt….warum bin ich da nicht selbst drauf gekommen? Der Typ ist gut,
weiss genau was ich brauche. Karibik? Mittelmeer? Hawaii? Wohin???
“Madamm,
fett ün CRÖÖSS aveg lö doh, sielwuhplää!!!
Was will
er denn jetzt schon wieder? Warum wedelt er mit den Händen in der Luft rum,
verrenkt sich den Rücken? Männer, die soll einer verstehen.
Ja, eine
kleine Schiffsreise ist wirklich genau das, was ich jetzt dringend brauche.
Bisschen
relaxen, in der Sonne liegen und abends high life. Nun mach schon endlich
weiter.
Ich hab schliesslich noch etwas vor heute. Muss sofort ins Reisebüro.
Allmählich nervt der Typ mit seinem CRÖÖSS.
Ups,
Kreuzfahrt heisst doch “crösjähr” oder “kruasjähr” oder so ähnlich.Was ist dann
“crööss”???????
Mit
engelzarter Stimme gefragt: "Crööss??? Kess-köh-ssäh-ssah? "
(Creuse? Que-ce
que c’est ca?)
Nun holt
er aus zum Monolog. Viel zu schnell und viel zu französisch. Ich verstehe nur
Bahnhof. Ist mir doch egal, ich träum von der Karibik. Koffer muss gepackt
werden.
Was soll
ich mitnehmen? Langes Kleid? Ja, unbedingt.
Frechheit,
jetzt boxt der mich doch in den Rücken. Was soll das???
Ah,
verstehe, Hohlkreuz soll ich machen? Von mir aus, sag das doch gleich!
Nee, diese
Kerle. Immer das Gleiche. Erst versprechen sie einem ‘ne Reise und dann werden
sie brutal!
MASSEUR TEIL III
Heute
morgen bin ich extra früh aufgestanden. Statt schneller Dusche lasse ich
Wasser in
die Wanne laufen. Was kommt da rein, was muss alles mit? Badeschaum
und eine
Extraportion duftendes Öl. Alles gut verrührt. Dann wird eine ausgiebige
Reinigung vorgenommen, auch dort, wo man normalerweise nicht gut rankommt.
Zum
Beispiel die Gehörgänge. Ganzen Körper mit Bodylotion von “Die Ohr”
eingeschmiert,
noch ‘ne Extraladung “Hypnotic Poison” hinterher gesprüht. Die
Flasche
muss ja endlich mal leer werden, und so ertrage ich den Mief im
Behandlungszimmer auch viel besser.
Übliche
Problem: Was zieh ich an? Jeans und T-Shirt. Und unten drunter? Ganz in
schwarz
mit neckischer Spitze. Das haut den abgebrühtesten Masseur um.
Punkt
10.30 Uhr, Madame schüttelt Masseurs Händchen: “Bongschuur, ssa waa?”
Drei-Tage-Bart trägt er heute (aha),
dazu klein kariertes Hemd dunkelgrün-dunkelblau, beigefarbene Bermuda (na ja).
Rotbehaarte dünne Waden (ups) und weisse Tennissocken mit ausgleiertem roten
Rand (ich krieg die Krise). Na, das reicht mir schon wieder. Muss dieser
Spielverderber gleich meine schöne Stimmung kaputt machen mit diese
Sandkastengarnitur??? Freitag wird nur ganz kurz geduscht, das ist schon mal
sicher!!!
Der Knabe
reisst sogleich das Fenster weit auf. Jawoll, lüfte mal ordentlich, dieser
Schweissgeruch ist wirklich unerträglich. So, Fenster wieder zu, muss ja keiner
reingucken, jetzt wird es hypnotisch…
Zuerst
das linke Bein dreimal hin und hergezerrt, dann das rechte. Er schaut dabei in
die Luft, als würde ihn die hübsche Spitzenverzierung überhaupt nicht weiter beeindrucken.
Die
15-Minuten-Bein-Rücken-Beckenboden-Übung beendet er abrupt nach exakt genau 2
Minuten. Und befiehlt im gewohnten Kasernenton: “Turnee oh wentre”
“Drehen
Sie sich im Wind?” Nein, so romantisch ist er nun doch nicht. Auf den Bauch legen soll ich mich. Was nun
folgt, sind 28 Minuten Rückenmassage. Mmmmhhh…frau geniesst und schweigt, die
Krankenkasse zahlt.
Nächster
Termin: Freitag, 10.00 Uhr , nur geduscht, ehrlich.
Masseur Teil IV
"Guten
Morgen, Ischias-Nerv. Wieso bist’n Du wieder da? Hab Dich die letzten 5 Monate
überhaupt nicht vermisst. Hast mir den Spaziergang gestern im Regen übel
genommen?
Na ja,
war wohl keine gute Idee, bei der Kälte im Regen zu marschieren, obendrein noch
barfuss und in dünnen Sommerschuhen. Und gestern Abend auf dem Empfang, da
stimm
ich Dir zu,
diese schicken Schuhe mit dem Wahnsinnsabsatz hätten nicht sein müssen."
Mal keine
Panik. Der Masseur kriegt das schon wieder hin.
Aus dem
Bett gerollt, Katzenwäsche unter der Dusche, angezogen. Heute schwarz-grau
kariert mit Spitze, jedoch ohne Hintergedanken. Irgendwie ins Auto gekrochen,
25 km mit zusammengebissenen Zähnen gefahren.
Bongschuhr,
nein es geht nicht gut. Wie komme ich auf die Liege und, was noch
wichtiger
ist, wie komme ich hinterher wieder runter? Nix is mit Gymnastik, wehe Du
drehst an
meinem Bein!!! Bauchlage und Massage. Aber vorsichtig….sonst…!
Eine
halbe Stunde Quälerei. Nee, das macht mir aber keinen Spass. Wieso attackiert
der meine
Gesässmuskeln so doll? Haben alle Menschen dahinten soviel Muskeln oder
nur ich?
Wie lange dauert überhaupt eine halbe Stunde?
Na
endlich. Zeit ist um. Wie es mir jetzt geht will er wissen. “Falsche Zähne, die
nicht beissen, Hämorrhoidenschmerz beim Sch…..” Na, das versteht er schon
wieder nicht.
Kein Sinn
für Humor. Oder hab ich das falsch übersetzt?
Egal, ich komme allein von der Liege. Geht ja wie geschmiert. Nix tut
mehr weh. Bin topfit. Heute Abend gehe ich mit
Mon
General auf eine “karibische Party.” Und ganz bestimmt ziehe ich keine flachen,
bandscheibenfreundlichen Schuhe an!!!